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Die frisch gepflückten, knallroten. Kirschen. sehen .zum
Anbeißen aus. Andreas Strehler freut sich sehr über die
kleine Aufmerksamkeit. die ihm ein. Nachbar vor die Tür
seiner Manufaktur. in. dem .schweizerischen. Städtchen
Sirnach vor den Toren St. Gallens .gestellt. hat. In dies-
em Augenblick, mit dem Teller voller. köstlicher. Kirsch-
en in der .Hand, fällt .ihm auf: "Meine .Nachbarn. wissen
eigentlich gar .nicht so genau, was. ich hier mache." Da
entgeht den Nachbarn aber einiges: Mitten. unter. ihnen
lebt und .arbeitet .einer .der .bedeutendsten .Uhrmacher
unseres Jahrhunderts. Er ist erst 43 Jahre alt .und blickt
schon auf eine über .20. jährige. Berufslaufbahn zurück.
Legendär sind seine Werk-Konstruktionen als Auftrags-
arbeiten. für .Chronoswiss (Chronoscope), Moser & Cie,
Maurice .Lacroix .(.Le. Chronographe.),. Harry .Winston
(Opus 7) oder Maítres du Temps ( Chapter Three).
Wenn es um Andreas Strehler und seine .Uhren - Cocon,
Papillon oder Sauterelle, alle .vermarktet im Zeichen des
Schmetterlings .dem Logo .seiner .Marke - geht, .wird in
der Fachpresse .mit Superlativen nicht gegeizt."Der bes-
te .Uhrenkonstrukteur. und .Uhrmacher. der Welt", ."eine
lebende Legende. der Uhrmacherkunst" oder, "der legiti-
me Nachfolger. von Abraham .Louis Breguet", liest. man
immer wieder .über ihn. Uhrenliebhaber .aus. der ganzen
Welt würden .ihn vor. lauter .Bewunderung. am. liebsten
auf .Händen. durch. sämtliche. Zeitzonen. tragen. und an
der. Datumsgrenze. hochleben lassen. Die .Jury des Prix
Gaïa, der. Nobelpreis in der Uhrenbranche, macht. es ein
wenig unspektakulärer aber nicht minder hochachtungs-
voll und verleiht ihm 2013 den begehrten Preis in der Ka-
tegorie Artisanat-Creation. "Seine .minimalistischen Uhr-
werke, die wie wahrhaftige. lebende .Organismen. erson-
nen sind", schwärmt .die hochkarätig besetzte Jury über
Strehlers Uhren.
Im Mittelpunkt der traditionellen .Uhrmacherei steht seit
Jahrhunderten neben dem Bemühen .um Präzision auch
das Bestreben, das Uhrwerk mit .konstanter Kraft zu ver-
sorgen. Denn das .Räderwerk kann nur die .Energie wei-
tergeben, die von der Zugfeder aus dem Federhaus kom-
mt und deren Energie nimmt mit der Zeit ab. Die Energie
aus der .Zugfeder, welche die. Präzision der .Zeitanzeige
beeinflusst, ist voll .aufgezogen. zu hoch und zum Ende
hin zu gering. Schwankungen im langen "Netzwerk" des
Räderwerks und bei Temperaturen gesellen sich als Prä-
zisionsübel vielfach erschwerend hinzu.
Leonardo da Vinci .(1452 - 1519) aus. Florenz .zeichnete
schon vor 500 Jahren .geniale technische Konstruktion-
en. Sein Modell eines Schneckenradgetriebes zeigt eine
Schnur, die an der Achse eines. Rades. befestigt ist und
an deren Ende ein Stein hängt. Das .Zahnrad kann ohne
Zuckeln .und. mit. gleich .bleibender .Kraftmenge, .dank
der Zugkraft der. Schnur. samt Stein, kontinuierlich ent-
lang ..der .Gewinde .des .Schneckengetriebes .ablaufen.
Diese Erfindung. war .der. Wegbereiter. für. die. heutige
Hemmung. mit .konstanter. Kraftzuführung, dem .Traum
aller Uhrmacher mit ihren .Uhrwerken .eine .noch. präzi-
sere Gang-Genauigkeit zu erzielen.
Seither veredeln viele .Uhrmachermeister, über viele Ge-
nerationen .hindurch ihre. Kaliber mit dieser .höchst an-
spruchsvollen .technischen. Komplikation. Sie schaffen
es, den .Kraftfluss vom .Federhaus mittels seiner aufge-
zogenen .Zugfeder über. das. Räderwerk bis zum Anker-
trieb zu führen und dort zu unterbrechen. Ein Zwischen-
speicher. als. konstanter .Kraftregler, .gibt .von .hieraus,
mittels einer zweiten viel .kürzeren .Zugfeder, immer nur
die benötigte .Energiemenge und .diese in immer gleich
bleibenden. Dosierungen. über .das .Ankerrad .und den
Anker an die Unruh, den .Gangregler, weiter. Die. Unruh
kann noch gleichmäßiger und genauer den. Takt halten.
Anknüpfungsstelle. für .den. Zwischenspeicher. ist .her-
kömmlicherweise .das. Ankerrad. Die. Nachteile. hierbei:
Das Ankerrad ist die .Stelle mit dem. schwächsten Dreh-
moment und .aufgrund .der .üblichen. Zahnteilungen ist
man auf eine. bestimmte .Frequenz, meistens 18000 A/h,
festgelegt.
Andreas Strehler lässt die Schweizer Ankerhemmung un-
gestört und .platziert. seinen .Zwischenspeicher. auf. das
Sekundenrad, womit. er .die. freie Wahl bei der Unruhfre-
quenz .eines. Werkes. hat. Strehlers. Sauterelle. schwingt
mit einer Frequenz.von.21600 A/h. Der .Zwischenspeicher
im Werk befindet sich hoch. über. dem .Räderwerk. Diese
planetarische Anordnung des. Räderwerks .bei Armband-
uhren ist einzigartig. Dadurch entfallen. hinderliche. Zug-
winkel durch radiale Bewegungen und. die. kurzen Wege
verringern den .Reibungswiederstand. Die. zusätzlich be-
nötigte Energie wird durch eine .stärkere Zugfeder ausge-
glichen und der Zwischenspeicher .wird .bereits vor. dem
Einbau justiert.
Andreas Strehlers: Remontoir d´ égalité
Wo normalerweise der Sekundenzeiger ist, befindet sich
bei .Strehlers .Uhrwerk. ein. Getriebe: Ein silberfarbener,
dreischenkliger .Reif ..mit .einer. Innenverzahnung. .Am
oberen. Ende .des. Sekundenrohres. befindet .sich auch
ein Arm mit einem Sternrad.Eine Zahnradreihe unterhalb
des Sternrades greift in die Innenverzahnung des Getrie-
bes. Die .Energie. von .der Zugfeder aus dem Federhaus
führt .über .Minutentrieb,. Minutenrad,. Kleinbodentrieb,
Kleinbodenrad .bis .zum .Sekundentrieb. und durch das
Sekundendrohr hinauf bis zum Sternrad. Dieser. bewegt
sich nun im .Uhrzeigersinn. im .Getriebe. entlang der In-
nenverzahnung.
Jetzt kommt der Clou von .Andreas .Strehlers Erfindung:
Üblicherweise sind Sekundentrieb und Sekundenrad im-
mer miteinander .vernietet, damit. der. Kraftfluss vom Fe-
derhaus. ungehindert .bei der. Unruh .ankommt. Strehler
hat das. Sekundentrieb vom .Sekundenrad. losgelöst, so
das die beiden sich nun völlig. unabhängig voneinander
drehen. Der .Kraftfluss aus .dem. Federhaus. endet. beim
Arm mit dem Sternrad auf dem Sekundenrohr des Sekun-
dentriebes. Zieht. man die .Zugfeder auf, dreht das Zahn-
rad des Sternrades im Getriebe .ungehindert. seine. Run-
den, die Energie aus der .Zugfeder. läuft ins Leere. Damit
das nicht passiert, platziert Strehler in das bereits am Se-
kundentrieb befestigte .Sekundenrohr ein. weiteres Rohr,
ohne die Beiden .miteinander zu verbinden und vernietet
diesen mit dem .Sekundenrad. Am oberen. Ende sitzt eb-
enfalls ein Arm.Dieser hat allerdings eine geschwungene
Form und hat einen Ruhestein am äußeren .Ende und ist
nicht mit dem Getriebe verbunden.Seine Aufgabe: Er soll
den Arm mit dem .Sternrad, der unter .Spannung des Rä-
derwerks steht, blockieren. Ein Zahn des Sternrades liegt
am Ruhestein des Blockierhebels an. Die Blockade steht.
Sternradarm und Blockierhebel sind mit einer kurzen spi-
ralförmigen Zugfeder verbunden. Wenn .die beiden Arme
sich blockieren, ist die .kurze .Zugfeder .aufgezogen und
steht unter Spannung.Strehlers Zwischenspeicher im Ge-
triebe ist aktiviert. Das Sekundenrad, vom .Taktgeber Un-
ruh .angetrieben .über .Anker, Ankerrad .und .Ankertrieb,
dreht sich .im .Uhrzeigersinn. um. 6° .Grad .pro. Sekunde
und dreht dabei .auch den. Blockierhebel mit. Der. Ruhe-
stein löst sich .vom .Zahn. des Sternrades und dreht sich
zeitgleich mit dem .Sekundenrad weiter. Dabei. leitet. der
Blockierhebel die. Energie von der. Zugfeder des Zwisch-
enspeichers über das Sekundenrad. an die. Unruh weiter.
Nach der .Drehung bleibt .der .Blockierhebel stehen. Das
Sekundentrieb,es ist nicht mit dem Sekundenrad verbun-
den, bleibt zunächst mit seinem Sternrad zurück.Da aber
unter .Spannung des .Räderwerks steht, dreht. es. unver-
züglich hinter dem Blockierhebel her und kommt am Ru-
hestein mit dem Zahn des Sternrades wieder zum Stehen.
Während .seiner. 6° Grad Drehung zieht der Sternradarm
die kurze .Zugfeder .des .Zwischenspeichers. wieder .auf.
Jede Sekunde. wiederholt sich. dieser Vorgang von Neu-
em. Und jede. Sekunde. gibt. die. kurze .Zugfeder .immer
wieder aufs .Neue gleichstark dosierte, schwankungsun-
abhängige. Energie an die .Unruh weiter. Die .Grundlage
für .ein. gleichmäßiges.. Gangverhalten.. der.. Hemmung.
Strehler nutzt den springenden .Sternradarm gleichzeitig
als Sekundenzeiger. Das Getriebe mit Sternrad, Blockier-
hebel und Zugfeder sind durch einen .Ausschnitt im .Zif-
ferblatt zu sehen. Eine kleine .Spitze .auf .dem .Sternrad-
arm zeigt .auf .eine .60-Sekunden-Skala, die auf dem Ge-
triebereif angebracht ist.
Andreas Strehlers: Lune perpétuelle
Seit .jeher .interessieren sich Uhrmacher auch für die An-
zeige des synodischen Mondes - Darstellung des zu- und
abnehmenden. Mondes - auf den. Zifferblättern .von Arm-
banduhren. Diese Komplikation, die Tagesweise geschal-
tet .wird, war. schon immer. sehr .beliebt. Konventionelle
Mondphasenanzeigen drehen von Vollmond zu Vollmond
in .29,5. Tagen. einmal um. die eigene Achse. Eine Mond-
phase ist nicht nur 29 Tage und 12 Stunden, sondern ex-
akt noch 44 Minuten und 2,9 Sekunden länger. Die Mond-
phasenanzeige weicht nach zwei Jahren um einen vollen
Tag von der Realität ab und muss dann manuell korrigiert
werden. Anspruchsvollere Konstruktionen, mit 30 - 70 zu-
sätzlichen. .mechanischen. .Bauteilen .versehen, müssen
erst nach 122. (Chopard oder Lange & Söhne), 577 (IWC),
1200 (Audemars Piguet) oder gar erst nach 3478,27 (Lud-
wig .Oechslins Ochs und Junior - mit nur drei Bauteilen!)
Jahren korrigiert werden.
Auch. mit. der. Mondphasen - Komplikation. ist .Andreas
Strehler seinen Kollegen wieder einmal um Lichtjahre vo-
raus. Genauer .gesagt .um exakt 2.060.757 Jahre. Erst da-
nach benötigt .Strehlers .Mondphasenanzeige, die .konti-
nuierlich über das .Zeigerwerk .der. Uhr angetrieben wird,
eine manuelle Korrektur. Er erreicht diese mathematische
Präzision durch eine .ausgeklüglete .Kombination von In-
nen- und .Aussenverzahnungen, wie .auch der .Verwend-
ung von Primzahlen in den. Zähnezahlen. eines vierteilig-
en .Räderwerks. Er .schaffte .es. auch, mit.. ganzzahligen
Zähnezahlen komplizierte Brüche darzustellen und somit
diese ..hohe ..Präzision. in. der.. Mondphasenanzeige .zu
erreichen. Ein .selbstgeschriebenes .Computerprogramm
half ihm die ideale Kombination der Zähnezahlen heraus-
zufinden.
Mit nur vier Uhrwerk - Rädern. durchbricht. Andreas Stre-
beinahe die .Ewigkeits-Schallmauer. in der. Mondphasen-
anzeige. Für die .Ewigkeit hingegen. wird sein Eintrag im
Guiness Buch der Rekorde Anfang 2015 halten. Denn "ei-
ne noch .genauere .Konstruktion .ist. nicht mehr möglich,
die Sauterelle à Lune perpétuelle hat die genaueste je ge-
baute .Mondphasenanzeige", .erklärt .Strehler .entspannt
und beisst herzhaft in die reife Kirsche.
Seine Uhren konstruiert und baut Andreas Strehler in sei-
nem Atelier in Sirnach. Er .bearbeitet und finissiert in auf-
wändiger .Handarbeit .jede .einzelne Uhr. Er .angliert und
poliert die .Kanten und .bringt .Zierschliffe .selbst. an un-
sichtbaren .Flächen an. Jedes. Bauteil. ist. so konstruiert,
dass ein .erfahrener .Uhrmacher auch noch in 100 Jahren
in der Lage sein wird, dieses mit traditionellen Werkzeug-
en und .Materialien .neu anzufertigen, im Falle einer Revi-
sion.
Es .wird .also. höchste. Zeit. für die lieben Nachbarn, mal
bei dem sympathischen Uhrmacher vorbeizuschauen und
ihm über die .Schultern zu schauen. Es. lohnt sich, zumal
nur einen Steinwurf entfernt, einer der besten .Uhrmacher
der Welt in ihrer direkten Nachbarschaft arbeitet. Die leck-
eren Kirschen sind bestimmt Motivation pur,seinen Nach-
barn eine .spannende .Führung .durch. seine. Manufaktur
anzubieten.
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