Z E I T G E I S T
Z e i t r a f f e r / N e w s
Z e i t k ü n s t l e r
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Z e i t g e s c h i c h t e
Z e i t g a l e r i e
Z e i t l u p e
A R M I N ..S T R O M
Handwerkskunst trifft auf Präzision:
Ein Tourbillon von Armin Strom
Fotografien:
Csaba Peter Rakoczy
Könige des Skelettierens

Alles außer Stromlinienförmigkeit



von Csaba Peter Rakoczy
Serge Michel und Claude Greisler / Claude Greisler im Konstruktionsbüro
"Ja mir geht es gut, sehr gut..." sagt .Claude Greisler (38), sichtlich zu-
frieden, als ich
.ihn in. Biel. treffe. "Acht .sehr. spannende, aufregende
und erfolgreiche
.Jahre liegen hinter uns". Fügt er noch fröhlich hinzu.
Der aus Burgdorf im Kanton Bern stammende Meisteruhrmacher leite-
te zuvor die
.Entwicklungsabteilung .von Christophe Claret in LeLocle.

Wir blicken in das Jahr 1967 zurück. Damals gründete Armin Strom (78)
in Burgdorf ein Skelettieratelier, um seine Uhren, alle mit
.Standardkali-
kalibern ausgestattet, kunstvoll zu veredeln. Er
.entfernte .bei Brücken
und Platinen in filigraner Handarbeit mit Sägen und Feilen so viel Mate-
rial, dass nur noch das übrig blieb, was für die
.Stabilität der. Uhrwerke
unbedingt erforderlich war. Die Oberflächen im
.Werk .verzierte. er. zu-
sätzlich mit Handgravuren. Seine Uhren wurden in kürzester Zeit zu be-
gehrten Kultobjekten. Nach
.vierzig Jahren, verabschiedete. er. sich. in
den Ruhestand. Nun hat er endlich Zeit für
. seine .große. Leidenschaft-
en: Reiten, Kreuzfahrten und Skifahren, aus Angst vor einer Handverle-
tzung musste er schweren Herzens fast vier Jahrzehnte auf rasante Pi-
stenabfahrten verzichten. Armin Stroms Abschied aus seiner Werkstatt
kam für seinen treuesten Kunden und Bewunderer, den Burgdorfer Un-
ternehmer Willy Michel,einer Katastrophe nahe. Er wollte unbedingt im
Namen des genialen Meister-Skeletteurs weiter Uhren kreieren und sie
als Luxusmarke weltweit etablieren. Deshalb gründete er die Aktienge-
sellschaft
.Armin Strom, übernahm die .Mehrheit. und. betraute. seinen
Sohn Serge Michel (38) mit der Führung des Unternehmens.


Serge verlegte den
.Firmensitz in die .Uhrenstadt Biel und holte seinen
Schulfreund aus Burgdorfer Zeiten, Claude Greisler in das
.Unternehm-
en. Das junge Dream-Team legte los. Sie entschieden sich
. neben dem
Skelettieren
.auch. eigene. Werke zu entwickeln und zu bauen. Das De-
sign
.der. neuen. Uhren. sollte .eigenständig und zeitgemäß, aber nicht
modisch ausfallen. Die Wahl fiel auf eine Runde Uhr mit
.44 Millimetern
Durchmesser. Ziel war, das Lebenswerk von
.Armin. Strom in .die heu-
tige Zeit zu führen und dabei Skelettuhren
.neu. zu .interpretieren. Also
haben sich die beiden überlegt, ein
.Werk .zu kreieren, in. das man von
vorne und hinten hineinsehen kann und
.obendrein .mit. Handgravuren
dekoriert ist. Doch es sollte
. keine. finanzielle .Kamikazeaktion werden,
warnte Vater Willy Michel. Daher schlug Greisler vor, zunächst
.nur. die
unbedingt notwendigsten Maschinen anzuschaffen und nur wenige Mit-
arbeiter einzustellen. Die zu investierende Summe fiel für
. alle. überra-
schend niedrig aus, vor allem weil Konstruktion und Design
.der neuen
Uhren Claude Greisler selber
.übernahm. Der .Investor .war überzeugt,
und die beiden jungen Wilden aus Burgdorf hatten grünes Licht,die Ma-
nufaktur zu gründen. Der gewagte Plan von damals ging auf, weil
.Grei-
sler das Räderwerk so konstruiert, dass man es in allen Werken
.einse-
tzen kann. Auch der Zeigerstell- und Aufzugsmechanismus ist
.vielfälti-
ger
.einsetzbar. Das Kaliber mit .Doppelfederhaus. macht. den. Anfang,
wird aber so aufgebaut, dass man das Federhaus ohne
.großen Aufwa-
ndwand
.weglassen .und .durch. einen Mikrorotor .ersetzen kann. Auch
die
.Hemmung .soll .einfach .durch .einen .Tourbillonkäfig .zu. ersetzen
sein. Bei jedem Kaliber bleiben Räderwerk, Hebel, Federn und Schrau-
ben weitgehend gleich. Es müssen lediglich die
.Brücken und Platinen
neu konstruiert werden. Der Maschinenpark ist inzwischen gewachsen
und die Mitarbeiterzahl gestiegen. Es werden eigene Kaliber hergestel-
lt: ein Handaufzugswerk mit hoher Gangautonomie durch
. zwei .Feder-
häuser in Serie geschaltet, ein einfacheres Werk mit nur
.einem Feder-
haus, ein Automatikwerk mit Mikrorotor und sogar ein Tourbillon. Clau-
de
.Greisler .strahlt. immer. noch. und .führt mich gutgelaunt durch die
Produktionsräume.


"Bereits
.zu .einem .sehr frühen Stadium arbeiten bei uns Konstruktion
und
.Fabrikation .eng .zusammen, ein großer Vorteil für eine kleine Ma-
nufaktur" erklärt er. Sein
. Büro. ist .die Konstruktions- und .Designzen-
trale, hier zeichnet er, bis ein Werk entsteht, unzählige Skizzen von Ha-
nd. Mit Hilfe dieser Skizzen kann er
.beispielsweise .Größe und Ort des
Federhauses,
.die. Positionen. von. Räderwerk, .Hemmungsbaugruppe
und
. Aufzugsmechanismus. sowie. Zusatzfunktionen wie Datums- oder
Gangreserveanzeige
. festlegen. Jetzt. weiß er, wie groß. zum .Beispiel
die Bauhöhe der einzelnen Räder ausfallen muss.

Danach überträgt er die Daten in Bits und Bytes auf die
.Festplatte sei-
nes Computers. Hier kann er
.die .Bewegungsabläufe dreidimensional
animieren
.und .sehen, ob .alles. wunschgemäß. funktioniert. Das Pro-
gramm
.kann .unter .anderem .die Materialstärke und Form von Feder,
ihre Kraft und Geschwindigkeit berechnen, simuliert
.eventuelle Mate-
rialerermüdung und legt mögliche Toleranzen fest. Die
.Daten verschi-
ckt er dann auf den Computer in der Werkstatt.

Seine
.Computerdaten .übernehmen, natürlich unter der strengen Auf-
sicht des Werkstattleiters, nun das
.Kommando und steuern die .Werk-
zeugmaschinen. Sie fangen
.an zu bohren, fräsen .und drehen. Es wer-
den
.Platinen, Brücken, Räder, Hebel, Federn, Schrauben, Achsen .und
Stifte produziert. Die
.Verzahnungsmaschine .stellt die .verschiedenen
Zahnräder her. Claude Greisler und sein Team können bis
.auf .wenige
Ausnahmen alle Teile der Manufakturwerke selber herstellen.

Nun führt mich Claude Greisler in die "heiligen Hallen" der Uhrenfabrik.
Hier werden alle Teile in Handarbeit veredelt und zu
.einem .Präzisions-
kunstwerk zusammengebaut. Dabei ist viel Fingerspitzengefühl und ha-
ndwerkliche Geschicklichkeit gefragt. Stahlstichel verschiedener Breite
verwendet die Graveurin. Am Nebentisch wird bis zur Perfektion gefeilt.
Noch einen Arbeitsplatz weiter werden die Kanten von Platinen,
.Brück-
en und
.Hebeln .perfekt .abgeschrägt, angliert .und .poliert. Die .Schleif-
scheibe eine Station weiter, wird
.von.Hand. in geraden .Linien auf dem
Werkstück entlanggeführt, damit die
.parallel. laufenden (Genfer-) Strei-
fen das Uhrwerk veredeln. Der rotierende Schleifstift erzeugt die chara-
kteristischen kreisförmigen, sich
.überlagernden. Perlschliffe (Perlage),
eine an Wolken erinnernde
.Verzierung von Platinen. Alle. sich. drehen-
den Teile des Uhrwerks werden mit einem runden Schliff versehen.

Mit Lupe, Mini-Laubsäge und zahllosen Feilen gehen die Skeletteure ans
Werk. Hier schaut Markengründer Armin Strom
.besonders gerne seinen
Kollegen über die Schulter. "Skelettieren
.ist .die .anspruchsvollste. und
aufwendigste Form der Uhren-Veredelung. Durch
.das. Skelettieren wird
die Architektur des Werks sichtbar, das Ineinandergreifen der Räderwer-
ke kann mitverfolgt werden, die
.Uhr .wird zu .einem dreidimensional er-
lebbaren Kunstwerk", erklärt Greisler. Dank der über
.Vierzigjährigen Tä-
tigkeit des Gründers hat diese hohe Kunst
.der. Veredelung eine beson-
dere Tradition bei Armin Strom. Die Fortführung
.des .Handskelettierens
bildet einen wichtigen Schwerpunkt beim Uhrenhersteller.

Die polierten, skelettierten und mit
.Schliffen .und .Gravuren .dekorierten
Brücken, Platinen, Räder und Hebel kommen
.nun in die .Galvanik-Abteil-
ung, wo sie in elektrochemischen Bädern einen edlen Glanz erhalten. Die
Teile erstrahlen in Gelb- oder Rotgold, dunkelgrauem Ruthenium oder
. in
einem
.weiß .glänzenden. Rhodium, je .nach chemischer Zusammensetz-
ung der für sie vorgesehenen Bäder.

Nun sind die Uhrmacher in ihrer Abteilung an
.der. Reihe, .die gedrehten,
gefrästen, polierten, verzierten, skelettierten
.und .galvanisierten. Einzel-
teile zu einem Uhrwerk zusammenzusetzen. Sie pressen die Lagersteine
in Platine und Brücken ein. Das Räderwerk
.wird eingestellt, Brücken und
Platinen werden
.verschraubt, die Aufzugsfedern gespannt und in die Fe-
derhäuser
.montiert. Mit .der .Montage .der .Hemmung. (Ankerrad, .Anker
und Unruh) erwacht das
.Uhrwerk. zum .Leben. Das .Werk. wird. dennoch
wieder komplett zerlegt.Alle Teile werden in Reinigungsbädern gewasch-
en, getrocknet, wieder zusammengebaut und geölt. Nach der
. Einregulie-
rung
.erfolgt .die "Vermählung" .mit .Zifferblatt .und .Gehäuse. Behutsam
werden die Zeiger gesetzt. An der fertigen Uhr wird der
. Gang .in fünf La-
gen kontrolliert, die Aufzugsleistung getestet und
.die .Wasserdichtigkeit
überprüft. Nach der optischen
. Kontrolle wird noch .das. passende. Band
montiert. Erst wenn die Uhr alle
.Qualitätskontrollen .bestanden hat, wird
sie zu einem bei Uhrenliebhabern heiß begehrten
.Armin Strom Zeitmes-
ser.

Mit großer Kompetenz, viel Kreativität
.und. angemessenem Respekt vor
dem Erbe der Marke Armin Strom führt das visionäre
. Duo. Serge. Michel
und Claude Greisler das Skelettieratelier mit dem klangvollen Namen ihr-
es Gründers in die Zukunft. Eine erfolgreiche
.Manufaktur mit. Kultstatus,
die in
.Technik .und. Design .viele. neue .Maßstäbe setzt. Claude Greisler
hat allen Grund zufrieden zu sein. Man darf
. auf seine nächste. Kaliberge-
neration gespannt sein.

Zeitgeist 22.03.2016
Der Maschinenpark im Erdgeschoß der Manufaktur
Öl kühlt die gefrästen Werkteile ab
Eine Manufaktur mit einer sehr hohen Fertigungstiefe
Die skelettierte Brücke wird von der Graveurin verziert
In elektrochemischen Bädern werden die Werkteile veredelt
Ein Armin Strom Zeitmesser in der Produktionsendphase
Fotoimpressionen aus der Armin Strom Manufaktur